Wie viel Technik und Fortschritt passen zwischen 2. und 3. Einstiegsamt?

Wer, wie ich, nach zehn Jahren erneut nach Mayen zurückkehrt, wird feststellen: Technik und Fortschritt brechen sich sogar im Lehrsaalgebäude bahn; ist dies ein Fluch, oder doch vielmehr Segen für alle?

Es ist 7:52 Uhr, die ersten Laptops sind aufgeklappt und erleuchten den Lehrraum, den ansonsten niemand so richtig zu beleuchten vermag. Viel zu früh am Tag eben. Soeben hat die erste Lehrveranstaltung des Tages begonnen und einige Student*innen beginnen, den Laptop mit ersten klimpernden Tastaturanschlägen zu konfrontieren. Zeitgleich entdecke ich mich dabei, wie ich ein nützliches Blatt Papier einer Kommilitonin mit dem Smartphone abfotografiere und es direkt in die Cloud lade, um es zum Lernen zu einer späteren Zeit zur Verfügung zu haben. Wochen zuvor werden viele Mitstreiter, aber auch ich, das Angebot der Hochschule angenommen haben, eine Studierenden-Version von Microsoft Office zu erwerben, um kostenlos Mitschriften anzufertigen, Grafiken und Tabellen zu erstellen und im Handumdrehen Präsentationen zu kreieren, die noch in der selben Stunde auf den Beamer des Lehrveranstaltungs-Raumes übertragen werden, um der Studiengruppe die Ergebnisse der eigenen Recherchen im ein oder anderen Studienfach zu präsentieren. Vom neu eingeführten, flächendeckenden WLAN am Campus ist hier noch nicht einmal die Rede.

Es ist viel geschehen, seit ich den mittleren Dienst, das 2. Einstiegsamt, im Jahr 2008 in Mayen begonnen habe. Einem technikaffinen Menschen gefallen die oben genannten Veränderungen vermutlich im ersten Moment sehr. Das ist auch bei mir der Fall. Ich begann 2008 mit einem Ordner meine damalige Ausbildung, schnell wurden zwei daraus. Ich kann nicht wirklich behaupten, dies, oder mein Schriftbild unter dem Einfluss all der neuen Fachbegriffe, Paragraphen und Gesetze hätten einen besonders geordneten und sauberen Eindruck gemacht.

Mittlerweile ist mein Schriftbild irgendwo zwischen Times New Roman, Calibri und Tahoma angesiedelt und ich frage mich während der Lehrveranstaltung, wie ich etwas grafisch am sinnvollsten darstellen kann, damit Dank – zumindest in Teilen – fotografischem Gedächtnis auch ein größerer Lerneffekt eintritt. Allein die Geschwindigkeit, mit der Texte verarbeitet werden können, schlägt die alte Schule um Längen. Der oder die ein oder andere „Oldschoolstudent*in“ soll sich sogar bereits flehend und dankend zugleich an die Tech-Nerds gewandt haben, da Dozenten ab und zu ein flottes Diktiertempo an den Tag legen.

Doch der technische Fortschritt hat nicht nur Vorteile für die Studierenden mit sich gebracht, auch die Hochschule profitiert vom technisch selbst auferlegten Angebot. Das Leitbild der Hochschule für öffentliche Verwaltung zitiert in diesem Zusammenhang zwei Aspekte: Zum einen „eine technische Ausstattung auf aktuellem Niveau“, zum anderen den „Einsatz und Training mit modernen Medien und E-Learning“. Die Hochschule hat ein gesondertes Interesse daran, moderne Ausstattung anzubieten. Hierdurch bleibt die Einrichtung attraktiv für interessierte Studienanwärter, außerdem kann sie zielgerichtet Informationen und Lehrmaterial an die Beamtenanwärter*innen richten.

Doch reicht dies aus? Verschiedene Internetportale zur Bewertung von Universitäten und Hochschulen zeigen auf, dass die Studierenden sich weitere Möglichkeiten wünschen. Fortschritt bedeutet eben auch, dass dieser gewünscht wird und der Service stetig verbessert werden sollte.

„Klausuren werden anspruchsvoller.“

Der Drang nach Verbesserung eines bestehenden Angebotes ist natürlich immer gegeben. So ist es für Pendler, das dürfte kein Geheimnis sein, suboptimal, wenn erst auf dem Weg nach Mayen die Information über die App eintrifft, dass die erste Lehrveranstaltung des Tages ausfällt. Übersichtlichkeit und Benachrichtigungen über neue Dateien in ILIAS überraschen immer noch durch Nichtvorhandensein oder mindestens Unauffälligkeit. Schnell landet man daher beim viel zitierten Begriff des „Eigeninvest“. Das Studieren dem Studierenden abnehmen, das vermag kein technischer Fortschritt zu bewerkstelligen.

Es ist nicht verwerflich, dass der Wunsch nach stetiger Verbesserung der technischen Möglichkeiten auf Seiten der Studierenden vorhanden ist, doch hat eine Medaille immer zwei Seiten. So ist es auch in diesem Bereich. Was können die Studierenden durch die neuen Möglichkeiten also in Zukunft erwarten? Bereits jetzt beschäftigen sich einige Mitarbeiter, Dozenten und Stellen der Hochschule mit möglichen Szenarien für die Zukunft. Hierzu gehört auch, mit einer digitalen Fassung der DVP zu arbeiten; und in Folge dessen auch künftige Klausuren technisch zu realisieren. „Die Klausuren werden anspruchsvoller“ war nur eine von mehreren Aussagen, die Dozenten in meiner Studiengruppe anführten.

Universitäten loten bereits vage aus, wie Klausuren technisch erstellt, bearbeitet und im Anschluss auch bewertet werden könnten. Doch auch wenn die Hochschule in Mayen hier Interesse zeigt und in Gesprächen vertreten ist: Rechtsfächer und der Gutachtenstil lassen sich nur mühsam aufbrechen. Und schon gar nicht in eine plumpe Multiple-Choice-Klausur umwandeln. Der Gutachtenstil im Fließtext sei so essentiell, dass eine technische Umsetzung derzeit noch in weiter Ferne scheint, so der Leiter des Prüfungsamtes in Mayen, Herr Kock.

Das Angebot hat sich in den vergangenen Jahren stark verbessert. Darüber sollten gerade junge Menschen froh sein. Sie können sich in ihren Verwaltungen nach Abschluss ihrer Ausbildung oder ihres Studiums zu echten Leistungsträgern entwickeln, die Voraussetzung wird in Mayen geschaffen. Nie war es komfortabler für Studierende, Lernmaterialien zu erhalten, miteinander zu teilen und besser und übersichtlicher darzustellen. Diese Möglichkeiten gilt es natürlich, auch zu nutzen. Gleichwohl tut die Hochschule gut daran, durch regelmäßige Einbindung von Plattformen, wie z.B. ILIAS, den Fokus der Studierenden auf die technischen Möglichkeiten zu lenken. Und die weiteren Möglichkeiten sind ja vielfältig. „Vorlesungsaufzeichnungen, online-basierte Tutorials, Wikis (also eine Sammlung von Informationen zu einem bestimmten Thema), Blogs, oder sogar Podcasts“ sind denkbar, schreibt nicht nur die TU Kaiserslautern auf ihrer Internetpräsenz.

Die dem Volksmund zufolge so eingestaubte Verwaltung könnte so durch junge, technisch versierte Mitarbeiter einen in der Form nicht so deutlichen, aber doch vorhandenen Rückstand in den nächsten Jahren nach und nach verringern und die moderne Verwaltung so entscheidend mitgestalten.

Vor diesem Hintergrund dürften in Zukunft also weiterhin Tastaturgeräusche am frühen Morgen in den Lehrsälen zu vernehmen sein.

Autor

Patrick Weyer